Gespannt warteten an die dreißig Kinder im Sprendlinger Standort der Bibliothek Sprendlingen-Gensingen auf die Antwort auf die Frage: gibt es eigentlich Gespenster? Bereits mit der Lektüre des ersten Kapitel des Buchklassikers von Otfried Preußler ist klar - zumindest eines gibt es sicher! Das kleine Gespenst lebt auf Burg Eulenstein, hoch über dem Städtchen Eulenberg. Es spukt immer von Mitternacht bis ein Uhr und unterhält sich dabei des öfteren mit seinem Freund, dem Uhu Schuhu. Sein größter Wunsch ist es, einmal bei Tag aufzuwachen, aber egal was es versucht - Punkt ein Uhr nachts schläft es wieder ein. An dieser Stelle der Geschichte wurde die Neugier der Kinder, was denn wohl in der großen, altehrwürdigen Truhe ist, die auf einmal in der Bibliothek stand, gestillt. Sobald der Deckel der Truhe auch nur ein Stückchen geöffnet wurde, sah man sich etwas Weißes bewegen. Und als ein Kind den Deckel ganz öffnen durfte, schwebte ein mit Helium gefülltes Ballongespenst aus der Truhe. Gehalten wurde dies durch seinen Schlüsselbund, einem großen Ring mit dreizehn altertümlichen Schlüsseln, der dem kleinen Gespenst in der Geschichte jede Tür öffnet. Und nun ging es hinaus aus der Bibliothek und eine aufgeregte und fröhliche Truppe machte sich zum Friedhof auf. Ob man dort in der großen Eiche den Uhu Schuhu wohl einmal antreffen konnte? Leider nein, gehört hat man ihn aber wohl - ein versteckter Lautsprecher tat das seine – doch um ihn zu sehen, war es einfach noch zu hell. Jeder weiß schließlich, dass Uhus nachtaktive Tiere sind. Weiter ging es in den Hof eines stilvollen, alten Anwesens. Dort erfuhren die Kinder, dass das kleine Gespenst eines Tages plötzlich doch um 12 Uhr mittags erwachte. Sobald es den ersten Sonnenstrahl abbekam, wurde es schlagartig zu einem schwarzen Gespenst, erschreckte bei seinen Erkundungen des Städtchens Eulenberg etliche Menschen und flüchtete sich zum Schluss in die Kanalisation. Ab da war es der „schwarze Unbekannte“, der sein Unwesen trieb. Und tatsächlich, beim Blick mit der Taschenlampe in den urigen Brunnen des Anwesens konnten die Kinder ein großes, schwarzes Gespenst in Form eines Riesenballons sehen, das traurig vom Wasserspiegel unten zu ihnen heraufblickte. Die nächste Station war das Sprendlinger Rathaus und hier konnten die Kinder ein Plakat für den Festumzug des Städtchens Eulenberg zur 325-Jahr-Feier des Abzugs der schwedischen Truppen des Generals Torsten Torstenson sehen, das zwischen allen anderen, aktuellen Plakaten an der Pinnwand hing. Was für ein Zufall, feiert Sprendlingen doch in diesem Jahr auch ein Fest, denn es fand vor genau 1250 Jahren zum ersten Mal seine Erwähnung im Lorscher Codex. In Eulenberg sollte der Umzug zum Festjahr eine Parade in historischen Gewändern sein und kein Mensch wusste, dass die Vertreibung des Generals nur dem kleinen Gespenst zu verdanken war, das den General seinerzeit furchtbar erschreckte und ihm einschärfte, er solle nie mehr wiederkehren. Im ganzen Rathaus waren die Plakate des Generals verteilt. Jedes Kind durfte sich eines suchen, dann, wie ein Ratsmitglied, im historischen Ratssaal Platz nehmen und sein Plakat, wie das kleine Gespenst in der Geschichte, verunstalten. In der Geschichte wurde das Gespenst durch das ganze Rathaus gejagt und auch in der Realität verfolgten es die Kinder bis in die höchste Spitze des Rathauses, einem urigen, staubigen Speicher, der nur über eine enge Leiter zu erreichen war. Allein das war schon ziemlich aufregend und nach dem nächsten Stück der Geschichte, in welchem das kleine Gespenst die Festparade ins Chaos stürzt, da es dem Irrtum unterliegt, der echte General sei zurückgekommen, war so manches Kind stolz geschwellt als es wieder heil im "normalen" Teil des Rathauses ankam. Das kleine Gespenst flüchtet sich in den Garten der Apotheke, wo es die Kinder des Apothekers belauscht und so erfährt, dass es für die Zerstörung des Festaktes verantwortlich war, was es natürlich gar nicht wollte. Die Kindergruppe indes besuchte durch das Hintertürchen einen alteingewachsenen, schönen Garten eines weiteren Sprendlinger Anwesens. Dort wartete ein Picknick auf die Kinder und sie erfuhren auch, wie die Kinder des Apothekers dem kleinen Gespenst helfen wollten wieder zum Nachtgespenst zu werden und deswegen den Uhu Schuhu aufsuchen mussten. Ob der Uhu auf dem Friedhof wohl inzwischen zu sehen sein würde? Leider machte hier das Wetter kurzen Prozess und frisch geduscht flüchteten die Kinder zurück in die Bibliothek. Dort erfuhren sie, wie der Uhu Schuhu den Kindern in der Geschichte erklärt, dass jedes Gespenst an eine Uhr gebunden sei und diese Uhr beim kleinen Gespenst die Rathausuhr sein müsse. Und tatsächlich - ein Gang zum Uhrmacher Zifferle enthüllte, dass dieser bei einer Reparatur die Uhr des Rathauses für zwölf Stunden angehalten hatte, da dies optisch keinen Unterschied machte. Für das kleine Gespenst bewirkte dies jedoch den Umkehr seines Schlafrhythmus vom Nacht- zum Taggespenst. Nach einer Korrektur dieses Fehlers durch den Uhrmacher erwachte das kleine Gespenst endlich wieder folgerichtig um Mitternacht und konnte nun nach großem Dank an die Kinder endlich wieder auf den Eulenstein zurückkehren. Beim Besuch des Uhus Schuhu wurde es von einem Mondstrahl getroffen und davon endlich wieder weiß. Befreit tanzte es über die Zinnen der Burg. Und befreit wurde nun auch das weiße Heliumgespenst in der Truhe durch die Kinder, die es auf drei in den dunklen Sternenhimmel fliegen ließen. Wie erstaunt waren die Kinder, als zum Abschluss auf einmal doch noch ein richtiger Uhu die Bücherei besuchte. Der Landesjagdverband hatte ein imposantes, ausgestopftes Exemplar zur Verfügung gestellt und dieses beeindruckte nicht nur die Kinder, sondern auch die inzwischen wieder eingetroffenen Eltern, die ihre zwar müden, aber begeisterten Kinder nun wieder abholen kamen. Mit einem eigenen kleinen heliumgefüllten Luftballongespenst am Handgelenk verließ jedes Kind nun zufrieden die Bibliothek und hatte bestimmt bis daheim noch viel zu erzählen. #
Quelle: Heike Walther
eingestellt: 20.06.2017; Hh.